Blaschke, R. (2024): Zitate aus Gorz‘ Werken zu meinem Beitrag „Gute CareArbeit  Politische Notwendigkeiten und Möglichkeiten. Überlegungen mit André Gorz“

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Zitate zum Kapitel 1: Der persönliche Hintergrund das Thema Care betreffend bei André Gorz

„Ich will nicht bei deiner Einäscherung dabei sein; ich will kein Gefäß mit deiner Asche bekommen. […] Jeder von uns möchte den anderen nicht überleben müssen. Oft haben wir uns gesagt, dass wir, sollten wir wundersamerweise ein zweites Leben haben, es zusammen verbringen möchten.“ (Gorz, 2007a, S. 83 f.)

Gorz beschreibt die Leiden und Ursachen der Krankheit seiner Frau: „Du konntest Dich nicht mehr hinlegen, so stark littest Du unter Deinen Kopfschmerzen. Du verbrachtest die Nacht stehend auf dem Balkon oder in einem Sessel sitzend. […] Auf der Röntgenaufnahme der ganzen Wirbelsäule einschließlich des Kopfes, die Doktor Court-Payen verlangt hatte, stellte er fest, dass von den Lenden bis zum Kopf Kügelchen von Kontrastmitteln im Wirbelkanal verstreut waren. Dieses Mittel, Lipiodol, war Dir acht Jahre zuvor injiziert worden, bevor man Dich an einem lähmenden Bandscheibenvorfall operierte. Ich habe den Radiologen, der Dich beruhigte, sagen hören: ‚Sie werden diese Mittel innerhalb von zehn Tagen ausscheiden.‘ Nach acht Jahren war Dir ein Teil der Flüssigkeit in die Schädelgruben gestiegen, ein anderer Teil hatte sich in Höhe der Halswirbel eingekapselt. […] Du hattest eine Arachnoiditis. Für dieses fortschreitende Leiden gab es keinerlei Behandlung.“ (ebenda, S. 71 ff.)

Die medizinisch verursachte Krankheit schritt fort: „Einige Jahre sind wir noch ein wenig gereist; aber die Erschütterungen und Stöße der Transportmittel, gleich welcher Art, lösten bei Dir schreckliche Schmerzen im Kopf und im ganzen Körper aus. Die Arachnoiditis hatte Dich gezwungen, nach und nach die meisten Deiner Lieblingsbeschäftigungen aufzugeben.“ (ebenda, S. 82)

Zwischenzeitlich erkrankte seine Frau Dorine noch an Krebs der Gebärmutterschleimhaut: „Während Deiner dreimonatigen Genesung habe ich beschlossen, mit sechzig in Rente zu gehen. […] Es machte mir Spaß zu kochen, nach den biologischen Produkten zu suchen, die Dir helfen würden, wieder zu Kräften zu kommen […].“ (ebenda, S. 79)

Zitate zum Kapitel 2: „Grundaussagen und -gedanken von Andrè Gorz“

Die Bevormundung und Beraubung der Autonomie der Individuen wird von Gorz bereits in frühen Schriften (Ökologie und Politik, 1975, als Michel Bosquet) analysiert – auch bezogen auf den wohlfahrtsstaatlichen Care-Bereich. Er konstatiert für die Arbeiterklasse einen Verlust der Autonomie (wie dem in der Lohnarbeit) und die Entmündigung durch Experten: „Derselbe Prozeß, der die einzelnen ihrer Arbeitsmittel, ihrer Produkte und ihrer Arbeitskraft beraubt, beraubt sie gleichermaßen ihrer Gesundheit wie ihrer Krankheit: genauso wie sie auf die freie Verfügung über ihre Arbeitskraft zugunsten eines Unternehmers verzichten müssen, müssen sie auf ihre körperliche Souveränität verzichten, um ihren Körper einer medizinischen Autorität anzuvertrauen.“ (Gorz, 1977, S. 106)

„Die Schule bringt uns nicht bei, eine Fremdsprache – oder gar unserer Muttersprache – zu sprechen; wir haben es auch nicht gelernt zu singen oder uns unserer eigenen Hände und Füße zu bedienen oder uns gesund zu ernähren oder uns im Gestrüpp der Institutionen zurechtzufinden oder um einen Kranken oder ein Kleinkind zu kümmern. Wenn die Leute nicht mehr singen, sondern Millionen Schallplatten kaufen, auf denen Professionelle für sie singen; wenn sie sich nicht mehr zu ernähren verstehen, dafür aber den Arzt und die pharmazeutische Industrie bezahlen, um sich gegen die Auswirkungen einer ungesunden Ernährung behandeln zu lassen; wenn sie sich nicht mehr darauf verstehen, ihre Kinder aufzuziehen, dafür aber die Dienste von Kinderpflegerinnen mieten, die ein ‚staatlich anerkanntes Diplom‘ haben; wenn sie weder einen Radioapparat noch einen Wasserhahn reparieren können, noch eine Verstauchung behandeln oder ohne Medikamente eine Grippe heilen, oder einen Salatkopf selbst anbauen können usw., usw., dann weil die Schule den uneingestandenen Auftrag hat, den Industrien, dem Handel, den patentierten Berufen und dem Staat maßgerechte Arbeitskräfte, Konsumenten, Kunden und Staatsbürger zu liefern.“ (Gorz 19080a, S. 37)

„Die Hygiene, das heißt die Kunst, gesund zu leben, kann in das Verhalten und die täglichen Tätigkeiten nur in dem Maße integriert werden, in dem die einzelnen ihren Rhythmus und ihre Lebens- und Arbeitswelt selbst bestimmen können. Von dem Augenblick an, zu dem sie verstädtert und zu ‚entlohnten Zwangsarbeit‘ gezwungen werden, verlieren sie alle Gewalt über ihre Wohn-, Arbeits- und Lebensbedingungen: […] Hier nun ersteht gleichzeitig mit der Industrie die Klinik, das heißt die Identifizierung und Klassifizierung der Krankheiten, die fortan als vom kranken Individuum unabhängige Größen behandelt werden und zur Spezialisierung der Heilberufe führen.“ (Gorz, 1977, S. 105)

„Der Widerstand gegen diese Zerstörung der Fähigkeit. Für sich selbst zu sorgen, anders gesagt der existenziellen Autonomie der Individuen und Gruppen, steht am Ursprung spezifischer Teile der ökologischen Bewegung: Netzwerke gegenseitiger Hilfe für Kranke, Bewegungen zugunsten alternativer Medizinen, Bewegung für das Recht auf Abtreibung, Bewegungen für das Recht, „in Würde“ zu sterben […]. Die tiefe Motivation ist immer, die ‚Lebenswelt‘ zu schützen: vor der Herrschaft der Experten, vor der Quantifizierung und der monetären Bewertung, vor der Ersetzung der Autonomie- und Selbstbestimmungsfähigkeit der Individuen durch Beziehungen des Markts, der Klientel, der Abhängigkeit.“ (Gorz 1992, S. 38).

„Für die herrschende ökonomische Lehre ist die Tendenz, die Eigenarbeit zur industrialisierten Produktion und auf äußere Dienstleistungen zu transferieren, noch längst in ihrer Dynamik nicht erschöpft.“ (Gorz, 1994, S. 219)

„Der Sozialstaat hat jedoch die Funktionsweise des Wirtschaftssystems und die hegemonische Dynamik seines Rationalitätstyps unangetastet gelassen. Das Eindämmen des Bereichs, in dem sich dieser entfalten darf, beruht ausschließlich auf der Verstärkung der Interventionsbefugnis des Staates. Diese Verstärkung führt nicht zur Entstehung eines anderen öffentlichen Raumes, anderer gesellschaftlicher Beziehungen, anderer Lebens- und Arbeitsweisen, in denen eine eigene Rationalität und eigenständige Werte bestimmend wären. Folglich wurden die staatlichen Umverteilungen und Interventionen von ihren Nutznießern sowohl als ’soziale Vorteile‘ wie auch als Bevormundungen und als Benachteiligungen der ‚Leistungswilligeren‘ zugunsten der weniger Tüchtigen wahrgenommen. […] Insofern er auf der verstärkten Herrschaft normierender und formalisierender Administrationen beruht, ist der Wohlfahrtsstaat das diametrale Gegenteil des libertären Strebens nach individueller und kollektiver Emanzipation, welches eines der grundlegenden Kampfthemen der Linken darstellt. Statt die Macht der sozialen Individuen über ihr Leben, über die Ergebnisse und die Weisen ihrer sozialen Kooperation zu erweitern, unterwirft sie der Wohlfahrtsstaat parallel zum Kapital seiner eigenen Macht. Für die soziale Absicherung, die er den Individuen gewährt, raubt er den Individuen ihren Autonomieraum.“ (ebenda, S. IV ff.)

„Da sich die konstituierte Linke in einem Sozial-Etatismus festgefahren hat, dessen fiskalische Grenzen ebenso deutlich werden wie seine bürokratischen Belastungen, kann die Rechte das Erbe der Befreiungsbestrebungen der Linken für eine Politik einfordern, die den Wohlfahrtsstaat abbaut, den Steuerdruck mildert, die ‚dereguliert‘ und ‚dereglementiert‘ und die Entwicklung einer komplexen Gesellschaft den angeblich ’neutralen‘ und ‚freien‘, weil der Macht und dem Willen des Menschen entzogenen Kräfte des Marktes überantwortet. Der traditionellen sozialen Basis der Rechten verspricht diese Politik größere Möglichkeiten zu sozialem Aufstieg und individuellem Erfolg (‚Leistung‘ und ‚Verdienst‘ würden dank reformierter Fiskalität besser vergolten). Den neuen Lohnempfängerschichten und einer nicht unerheblichen Fraktion der Facharbeiter und Techniker bietet sie die Rehabilitierung des beruflichen Erfolgs im Bündnis der ‚Gewinner‘, der ‚Hochleister‘ und der ‚Unternehmer‘, gegen die ‚Nichtstuer‘ und die ‚Unfähigen‘, die mit ihren Sozialbezügen von anderer Leute Arbeit leben wollten.“ (ebenda, S. VI)

Zitate zum Kapitel 7: Care-Arbeit: Wege emanzipatorischer Entwicklung

„Die Erweiterung der autonomen Sphäre hat […] eine heteronome industrialisierte Produktion zur Voraussetzung, freilich beschränkt auf sozial notwendige Güter und Dienstleistungen, die mit der gleichen Effizienz [[1]] nicht von autonomen Tätigkeiten hervorgebracht werden können.“ (Gorz, 1980b, S. 92)

So wäre es z. B. „vorteilhaft, wenn medizinische Versorgung mit hohem Technizitätsgrad in industriellen Behandlungszentren – Krankenhäusern – stattfindet; leichte Erkrankungen – die Regel – können wirksamer zu Hause, gegebenenfalls unter Assistenz von Verwandten, Freunden oder Nachbarn kuriert werden.“ (ebenda, S. 92 f.)

„Es ist heute durchaus möglich, die von jedem zur Produktion des Notwendigen aufzuwendende Arbeitszeit erheblich zu verkürzen; nicht möglich ist es dagegen, jede der gesellschaftlich notwendigen Arbeiten befriedigend und sinnreich zu machen. Es ist möglich, das Feld der autonomen, selbstverwalteten, nicht-kommerziellen, in ihrem Zweck selbstbestimmten Tätigkeiten zu erweitern, indem man Selbstproduktion und Selbstunterrichtung erleichtert, durch gegenseitige Hilfe, Kooperation und gemeinsamen Gebrauch einen Teil der Dienstleistungen ersetzt, die gegenwärtig von Handelsunternehmen oder bürokratischen Behörden erbracht werden.“ (ebenda, S. 89)

Nach Gorz „geht also nicht darum, die heteronome Arbeit zu beseitigen, sondern darum, sie durch die Art ihrer Produkte und die Modalitäten ihrer Produktion zur Erweiterung der autonomen Sphäre zu gebrauchen. Dazu wird sie um so besser dienen, als sie 1. dem autonomen Sektor eine Höchstzahl an zugleich leistungsfähigen und konvivialen Werkzeugen liefert und 2. die heteronome, von jedem aufzuwendende Arbeitszeit auf ein Minimum reduziert.“ (ebenda, S. 91)

Konviviale Werkzeuge werden in Bezug auf Ivan Illich bestimmt: „Illich unterschied zwei Arten von Techniken: denjenigen, die er konvivial nannte und die das Feld der Autonomie vergrößern, und die heteronomen, die dieses Feld einengen oder beseitigen. Ich habe sie ‚offene Technologien‘ und ‚verriegelte Technologien‘ genannt. Offen sind diejenigen, die die Kommunikation, die Kooperation, die Interaktion begünstigen […]. Die ‚verriegelten Technologien‘ sind solche, die den Benutzer knechten, seine Operationen programmieren, das Angebot oder eine Dienstleistung monopolisieren.“ (Gorz, 2005a, S. 11 f.)

„Der ‚kategoriale Bruch‘ hängt folglich in einem bedeutenden Ausmaß davon ab, on hochproduktive Arbeitsmittel aneigenbar und handhabbar werden und nicht arbeitsteilige, kooperative Selbstversorgung auf kommunaler Ebene ermöglichen.“ (Gorz, 2007, S. 77) Stichwort: „High-Tech-Eigenproduktion“ (ebenda) in der Wissensgesesllschaft.

Für Gorz ist es wichtig, dass „alle auf nur unregelmäßige Weise im makrosozialen Tauschsystem ‚arbeiten‘ und dadurch Fachkenntnisse erwerben, pflegen und entwickeln, die auf der mikrosozialen Ebene ausgetauscht und eingesetzt werden können“ (Gorz, 2000, S. 153) – ohne dass die Möglichkeit der Arbeit in der heteronomen Sphäre zur Pflicht oder zur existenziellen Nötigung wird.

Die Unterordnung der Heteronomie-Sphäre unter die Autonomie-Sphäre „wird in dem Maße gewährleistet, wie die integrale Entfaltung der Individuen in und durch ihre autonomen Tätigkeiten das wirkliche Ziel ist, das die sozialen Institutionen und ihr nicht reduzierbarer Kern heteronomer Tätigkeit stützen.“ (Gorz, 1980b, S. 86).

„Die Ausweitung einer Autonomie-Sphäre hat immer zur Voraussetzung, daß die Individuen – sobald die Zeit nicht mehr berechnet werden muß – sich dafür entschieden haben, in die häusliche oder die mikro-soziale Sphäre freiwilliger Zusammenarbeit Tätigkeiten heimzuholen, die sie vordem – mangels Zeit – äußeren Diensten überließen.“ (Gorz, 1994, S. 242)

„In einer Gesellschaft, in der Zeit und produzierbare Ressourcen aufhören knappe Güter zu sein, könnte die umgekehrte Lösung angestrebt werden: Die konvivialen [mitmenschlichen, R. B.] Aktivitäten könnten schrittweise entprofessionalisiert werden und mit der Verkürzung der Arbeitszeit als freiwillige Aufgabe im Rahmen von Netzwerken der gegenseitigen Hilfe übernommen werden. Diese freiwilligen Tätigkeiten würden dann zu einem der Pole des multipolaren Lebens, neben der bezahlten Arbeit (20 bis 30 Stunden der Woche) und neben anderen nicht ökonomischen Tätigkeiten: im Bereich von Kultur, Erziehung, Unterhaltung. Verschönerung und Pflege der Lebensumwelt usw.“ (Gorz, 1994, S. 207)

„Die Möglichkeit, dauernd überwechseln zu können von der heteronomen, entlohnten, wenig Zeit und kein intensives Engagement gebietenden Gesellschaftsarbeit allgemeinen Interesses zu einer autonomen, ihr Ziel in sich selbst bewegenden Tätigkeit, macht die Individuen allerdings anspruchsvoll und kritisch in bezug auf die Art und Finalitäten der gesellschaftlich notwendigen Arbeit.“ (Gorz, 1980b, S. 88; Vgl. Gorz, 1983, S. 80; Gorz, 1994, S. 149; Gorz, 2000, S. 136 f., 157)

„Die gesamte gesellschaftliche Organisation der Tätigkeiten ohne ökonomischen Zweck (Hilfe, Pflege, kulturelle Animation, Entwicklungshilfe usw.) muß […] neu definiert werden – in Richtung auf eine Synergie, innerhalb eines auf zwei Pfeilern ruhenden Sozialsystems: der institutionalisierten und zentralisierten Dienste einerseits, der selbstorganisierten, kooperativen und freiwilligen Netze andererseits.“ (Gorz, 1994, S. 207)

Und weiter: Die mikro-soziale Basisgemeinschaft „kann die private Sphäre hin zu einem Raum gemeinschaftlicher Souveränität öffnen, der den (Ver)kaufsbeziehungen entzogen ist. […] In der praktischen Erfahrung solcher mikro-sozialer Tätigkeiten kann sich eine Kritik am kapitalistischen Konsummodell und den durch ökonomische Zwecke und Marktverhältnisse bestimmten Sozialbeziehungen verankern.“ (ebenda, S. 227 f.)

„Hier [im mikro-sozialen Raum des Gemeinwesens, R. B.) findet die Synergie zwischen freiwilligen Tätigkeiten und institutionellen Dienstleistungen statt […].“ (ebenda, S. 227)

Die kooperative Eigenarbeit ist nicht dazu da, „die Mängel der letzteren [der anonymeren Dienstleistungen der Gemeinde] zu beheben, sondern um sie einzurahmen und in dezentraler Weise an den von den Bewohnern selbst definierten Bedürfnissen auszurichten“ (ebenda).

„Die Frauenbewegung macht sich die kapitalistische Rationalität zu eigen, wenn sie sich vornimmt, die Frau von den nicht-ökonomischen Tätigkeiten zu befreien, die, weil für untergeordnet und servil gehalten, abgeschafft werden sollen. Doch diese Tätigkeiten sind nur insofern untergeordnet und servil, als ökonomische Zwecke in der Gesellschaft und selbst in der häuslichen Gemeinschaft vorherrschen (oder als ‚edel‘ angesehen werden). Ab sofort ist gerade diese Dominante in Frage gestellt. Und nur in dem Maße, wie die Frauenbewegung diese Infragestellung radikalisiert, autonome Aktivitäten und nichtökonomische Werte als wesentlich, ökonomische Werte als untergeordnet setzt, wird sie zu einer treibenden Kraft der nachindustriellen Revolution und, in manchen Punkten, zu ihrer Avantgarde werden. Es geht dann nicht mehr darum, die Frau von der häuslichen Tätigkeit zu befreien, sondern darum, deren nichtökonomische Rationalität auch jenseits des domus Geltung zu verschaffen, die Männer dafür zu gewinnen, die traditionelle Arbeitsteilung der Geschlechter umzustürzen, also nicht bloß die Hegemonie der männlichen Werte zu überwinden, sondern diese Werte selbst in den zwischengeschlechtlichen und sozialen Beziehungen.“ (Gorz, 1980b, S. 78 f.)

Nach Gorz würde eine Familiengemeinschaft würde erst dann ihrem Wesen adäquat sein, wenn sie als „freiwillige Vereinigung“ geführt wird, in der die „Zusammenarbeit eine freiwillige Zusammenarbeit von Gleichen [ist], die sich in Freiheit gemeinsame Ziele setzen und sich in freier Verständigung über die Verteilung der Aufgaben einigen.“ (Gorz, 1994, S. 234)

„Sich den Kleinkindern zu widmen, ist nicht mehr ein der Frau vorbehaltene Aufgabe, ‚die Familie zu ernähren‘ durch gesellschaftliche Arbeit ist nicht mehr ein strikt dem Mann vorgeschriebener Zweck. Der immer häufigere Aufgaben- und Rollenwechsel erschüttert nicht allein die Hierarchie der Geschlechter, sondern auch die der Tätigkeiten.“ (Gorz, 1980b, S. 79)

Zitate zum Kapitel 8: „Angeeignete, gute CareArbeit – Politische Notwendigkeiten und gesellschaftliche Möglichkeiten“, Stichwort Grundeinkommen

„Die Garantie eines vom Arbeitsplatz unabhängigen Einkommens wird nur dann Freiheit bringen, wenn sie einhergeht mit dem Recht jedes einzelnen auf Arbeit: das heißt auf die Erzeugung von Gesellschaft, auf die Erzeugung von gesellschaftlich wünschenswerten Reichtümern und auf die freie Kooperation mit anderen bei der Verfolgung eigener Ziele. Die Garantie eines vom Arbeitsplatz unabhängigen Einkommens kann emanzipatorisch oder repressiv, linker oder rechter Prägung sein, je nachdem ob sie den Individuen neue Räume individueller und gesellschaftlicher Tätigkeit öffnet oder im Gegenteil nur der gesellschaftliche Lohn für ihre erzwungene Untätigkeit ist.“ (Gorz, 1983, S. 66)

Bemerkung: Damit ist von Gorz noch kein Grundeinkommen gemeint, sondern ein garantiertes Sozialeinkommen, dass an eine bestimmte Stundenanzahl von Arbeitsleistung gebunden war. Ein Grundeinkommen befürwortete er erst seit 1997, vgl. Gorz 2000. Auf dem Weg zum Grundeinkommen ist er aber schon.

„Ohne hier im Einzelnen auf die Fragen einzugehen, die ich an anderer Stelle erörtert habe, erinnere ich nur daran, dass die ökosoziale Politik hauptsächlich im Bemühen besteht, die Garantie eines ausreichenden Einkommens von der Arbeitszeit (die ja nur abnehmen kann) und eventuell von der Arbeit selbst zu abzukoppeln; die gesellschaftlich notwendige Arbeit so umzuverteilen, dass alle arbeiten und sowohl besser wie weniger arbeiten können; Autonomieräume schaffen, in denen die von der Arbeit befreite Zeit von den Individuen für Tätigkeiten ihrer Wahl verwendet werden kann, einschließlich der Selbstproduktion von Gütern und Dienstleistungen, die ihre Abhängigkeit vom Markt und von professionellen oder administrativen Übernahmen verringern und ihnen ermöglichen werden, ein Gefüge gelebter Solidarität und Sozialität wiederherzustellen, bestehend aus Netzwerken gegenseitiger Hilfe, ausgetauschter Dienstleistungen, informellen Kooperativen. Die Befreiung der Zeit und die Befreiung der heteronomen, funktional spezialisierten Arbeit müssen als eine Gesamtpolitik konzipiert werden, die auch neue Denkansätze verlangt in Bezug auf Architektur und Städteplanung, öffentliche Einrichtungen und Dienste, das Verhältnis zwischen Stadt und Land; Gedanken darüber, wie die Trennung von Lebens- und Arbeitswelt aufgehoben und der selbstorganisierte Austausch gefördert werden könnte.“ (Gorz 1992, S. 49 f.)

„Ein bedingungslos garantiertes Grundeinkommen für alle ist die erste Voraussetzung für eine Multiaktivitätsgesellschaft.  Jedoch hat eine allgemeine Einkommensgarantie einen grundlegend anderen Sinn und eine grundlegend andere Funktion, je nachdem, ob diese Einkommen a) ausreichend oder b) zu niedrig ist, um vor Not und Elend zu schützen.

a) Die Garantie eines unter dem Existenzminimum liegenden Grundeinkommens, das nach seinen Verfechtern den größten Teil der Einkünfte aus Umverteilungsprozessen ersetzen soll (also die Familien- und Wohnungsbeihilfen, das Arbeitslosen- und Krankengeld, die Sozialhilfe, die Mindestrente), hat die Aufgabe, die Arbeitslosen zur Annahme von mühsamen und erniedrigenden Niedriglohnbeschäftigungen zu zwingen. Das entspricht der neoliberalen Position der Anhänger Friedmans in der Chicagoer Schule, aber auch der von deutschen Liberalen wie Mitschke und der von britischen Sozialliberalen.“ (Gorz 2000, S. 113)

„b) Ein allen garantiertes, ausreichendes soziales Grundeinkommen untersteht einer umgekehrten Logik: Es soll nicht mehr diejenigen, die es beziehen, zu jeder beliebigen Arbeit unter allen Bedingungen zwingen, sondern es zielt auf deren Befreiung von den Zwängen des Arbeitsmarktes ab. Es soll ihnen ermöglichen, ‚unwürdige‘ Arbeit und Arbeitsbedingungen abzulehnen, und es soll darüber hinaus einem sozialen Umfeld zugehören, das jedem Einzelnen erlaubt, jederzeit zwischen dem Nutzwert seiner Zeit und ihrem Tauschwert zu entscheiden […].“ (ebenda, S. 115 f.)

„Das allgemeine und ausreichende Grundeinkommen […] darf nicht als eine Art Unterstützung oder gar Sozialhilfe verstanden werden, das die Einzelnen vom Wohlfahrtsstaat abhängig macht. Sondern es ist ganz im Gegenteil im Sinne der von Anthony Giddens so genannten generative policy zu verstehen. Danach soll es Einzelnen und Gruppen verstärkt Möglichkeiten zu Selbstverantwortung und ein größeres Gestaltungsvermögen ihres Lebens und ihrer Lebensbedingungen geben. Es soll nicht von aller Arbeit entheben, sondern im Gegenteil das Recht auf Arbeit zu einem wirklichen Recht machen: Nämlich nicht das Recht auf abstrakte ‚Arbeit‘, die einem zur Verrichtung ‚gegeben‘ wird, sondern auf konkrete Arbeit, die man ohne dazu genötigt zu sein und ohne deren Rentabilität und Tauschwert berechnen zu müssen, macht.  Demnach ist das allgemeine, ausreichende Grundeinkommen von der Entwicklung von und dem Zugang zu Möglichkeiten nicht zu trennen, die Selbsttätigkeit zulassen und fördern, durch die also Einzelne oder auch Gruppen über ihre frei gewählte Arbeit einen Teil der von ihnen definierten Bedürfnisse und Wünsche befriedigen können. Deshalb sind die Diskussionen über die Höhe eines ausreichenden Grundeinkommens an sich nicht sehr sinnvoll. Sie verlagern die aktuellen Veränderungen der Lohngesellschaft, die über diese hinausweisen, in diese zurück und versuchen, das allgemeine Grundeinkommen durch fiskalische Umverteilung zu finanzieren. Damit lenken sie aber vom Kern der Frage ab, die sich aus diesen Veränderungen sich selbst ergibt. Die Rückläufigkeit der Lohnarbeit, des Arbeits- und Dienstleistungsmarktes und die Entfaltung von nicht-monetären Tauschbeziehungen und von Selbstversorgung sind dagegen die Perspektive, die sich uns öffnet und die wir einnehmen müssen. Selbstversorgung könnte, nach Frithjoff Bergmann, leicht 70% der Bedürfnisse und Wünsche in je zwei Arbeitstagen pro Woche befriedigen.“ (ebenda, S. 116)

„Die Forderung eines garantierten Grundeinkommens ist, so Opielka, sinnlos, wenn sie nicht derart konzipiert ist und mit anderen Forderungen verkoppelt wird, daß sie innerhalb des kapitalistischen Systems zwar realisierbar ist, aber ‚über das kapitalistisch-industrialistische System hinausweist‘.“ (ebenda, S. 117)

„1. Das Grundeinkommen muss „systematisch mit einer Konzeption von Arbeitsumverteilung verkoppelt werden – ohne dafür das ‚Recht‘ auf Arbeit mit der ‚Pflicht‘ zu ihr zu verschränken“. 2. Es muss mit einem „einlösbaren Recht auf eigene Produktivmittel“ verbunden sein. Denn ohne diese bliebe es in „kapitalistischen Logik gefangen.“ Das Recht auf ‚eigene Produktivmittel‘ verdient besondere Beachtung. Denn allein dieses Recht, als einlösbares, befähigt die Menschen, sowohl ‚die Abhängigkeit vom Arbeitgeber und en sozialen Bezügen des kapitalistischen Industriesystems‘ als auch die Abhängigkeit vom Staat als Versorger‘ zu durchbrechen. ‚Wofür das garantierte Grundeinkommen (also) wegbereitend sein soll, ist die Aneignung der Arbeit.“ (ebenda, S. 117 f.)

„Wenn Intelligenz und Phantasie (der general intellect) zur Hauptproduktivkraft werden, hört die Arbeitszeit auf, das Maß der Arbeit zu sein. Die Arbeitszeit ist dann überhaupt nicht länger mehr messbar, und der hergestellte Gebrauchswert steht in keinem Verhältnis zu der für die reine Herstellung aufgewendeten Zeit. Diese kann je nach Personen und materiellen oder immateriellen Charakter ihrer Arbeit stark variieren. […] Es ist unmöglich, die Arbeitszeit von Selbständigen, Künstlern und denjenigen, die immaterielle Dienste anbieten, zu messen. Nur ein Grundeinkommen kann ihnen den Anreiz bieten, ihre beruflichen Aktivitäten zu Gunsten eines multiaktiven Lebens zu reduzieren – ja, erlaubt ihnen dies in den meisten Fällen überhaupt erst. Nur ein Grundeinkommen bewahrt sie vor dem Kampf auf einem überfüllten Arbeitsmarkt um ein Körnchen der in ihrer Gesamtheit immer weiter gekürzten Lohnsumme, die die Arbeitgeber ausschütten. Das allgemeine und bedingungslos garantierte Grundeinkommen, das zusammen mit dem Einkommen aus einer Arbeit beziehbar ist, stellt also (in einem Kontext, den ich später genauer beschreiben werde,) die beste Handhabe dar, um so weitgehend wie möglich sowohl die bezahlte Arbeit als auch die unbezahlten Aktivitäten umzuverteilen.“ (ebenda, S. 120)

Bemerkung: Immaterielle Arbeit entzieht sich der zeitlichen Messbarkeit ebenso wie Care-Arbeit, aus ähnlichen Gründen.

„Warum, wird oft gefragt, sollten sich die Menschen für bezahlte Arbeit, gesellschaftlich notwendige Arbeit noch hergeben, wenn sie dank eines Grundeinkommens und Selbstversorgungsarbeit auch ohne Erwerbstätigkeit gut auskommen könnten? Diese Frage dürfte eigentlich nur von denjenigen gestellt werden, für die Arbeit eine widrige Nötigung ist und die deshalb nicht einsehen, warum andere sich ihr entziehen dürfen, wenn sie sich selbst ihr unterwerfen müssen. Diejenigen hingegen, für die eine Arbeit Wert hat, die sie als Selbstverwirklichung und Selbstbehauptung ansehen und nutzen können, daß Lust und Freude am Arbeiten mit Arbeitszwang unvereinbar sind und durch dessen Abwesenheit erhöht werden.“ (ebenda, S. 120 f.)

„Sicher werden wir das Recht auf ein bedingungslos garantiertes Grundeinkommen nicht von heute auf morgen gewinnen. […] Wenn man aber in der Übergangsperiode die Einführung eines Grundeinkommens noch an eine Gegenleistung knüpfen will, muß diese Gegenleistung so beschaffen sein, daß man sie ihrer Bezahlung wegen übernehmen kann, ohne die dadurch ihres Sinns zu berauben. Sollte diese Bedingung unerfüllbar sein – was sie gegenwärtig auch ist –, und will man dennoch, daß das allgemeine Grundeinkommen die Entwicklung von freiwilligen Tätigkeiten und künstlerischen Aktivitäten fördert, muß es demnach für alle bedingungslos gewährleistet sein. Denn nur seine Bedingungslosigkeit kann die Unbedingtheit der Aktivitäten wahren, die nur um ihrer selbst ausgeführt sinnvoll sind. Nach langem Widerstand schließe ich mich also den Anhängern eines ausreichenden (und nicht minimalen) Grundeinkommens an. Ich sehe darin das einzige Konzept, das einerseits die Freiwilligkeit aufrechtzuerhalten vermag und andererseits die Aktivitäten, die nur als Selbstzweck Wert haben, der Sozialisierung und Ökonomisierung entzieht und sie zugleich allen zugänglich macht.“ (ebenda, S. 126)

„Das allgemeine Grundeinkommen ist einer Entwicklung am angemessensten, die das ‚allgemeine gesellschaftliche Wissen, knowledge, zur unmittelbaren Produktivkraft macht und die unmittelbare Arbeitszeit auf ein weniges reduziert verglichen mit der Produktions-, Reproduktions- und erweiterten Reproduktionszeit von Fähigkeiten und Kompetenzen in der sogenannten immateriellen Produktion. Wieviele Wochen oder Jahre der Grundbildung, Weiterbildung, Ausbildung der Ausbilder usw. braucht man gesamtgesellschaftlich für jede Stunde, Woche oder jedes Jahr der unmittelbaren Arbeit? Und dabei wiegt die Ausbildungszeit wenig gegenüber der Selbstbildungszeit, d. i. der Zeit, die in Diskussionsgruppen, bei Reisen, für Lektüren und Mußetätigkeiten verbracht wird.“ (ebenda, S. 127)

„Eine Funktion des Grundeinkommens besteht […] darin, aus dem Anspruch auf die Entfaltung von Fähigkeiten jeder und jedes Einzelnen das unbedingte Recht auf Autonomie abzuleiten, die deren produktive Funktion transzendiert und Selbstzweck ist. Sie soll aus sich heraus und um ihrer selbst willen auf moralischer Ebene (als Autonomie des Werturteils) bestehen wie auf politischer (auf Autonomie bei das Gemeinwohl betreffenden Entscheidungen), kultureller (als Erfindung von Lebensformen, Konsummodellen und Lebenskünsten) und existentieller Ebene (die Fähigkeit zur Selbstverantwortung und Selbstsorge, anstatt die Sorge um das, was gut für uns ist, der Entscheidung von Experten und Autoritäten zu überlassen).“ (ebenda, S. 128)

„Das allgemeine, bedingungslose soziale Grundeinkommen ist jener Ökonomie am angemessensten, die sich jenseits der Sackgasse abzeichnet, in die die aktuelle Entwicklung eingemündet ist. Immer mehr Reichtum wird mit immer weniger Kapital und Arbeit produziert.“ (ebenda, 129)

„Der Anspruch auf ein allgemeines, bedingungsloses und ausreichendes Grundeinkommen ist Teil dieser Perspektive. Es ist zwar nicht sofort realisierbar, muss aber von nun an gedacht und in die Wege geleitet werden. Es hat einen heuristischen Wert, denn es verdeutlicht den höchstmöglichen Sinn, auf den hin sich die aktuelle Entwicklung öffnet. Umgekehrt hebt es den Unsinn eines Systems hervor, das nie zuvor erreichte Arbeitszeitersparnisse ermöglicht, aber aus der so freigesetzten Zeit Not und Elend macht, weil es weder diese noch die produzierten oder produzierbaren Reichtümer zu verteilen und ebenso wenig den eigentlichen Wert von ‚Mußezeit als Zeit für höhere Tätigkeiten’ (Marx) zu schätzen weiß. Es lässt die individuelle und kollektive Aneignung der freigesetzten Zeit als einen Hauptgegenstand des Konflikts erscheinen.“ (ebenda, S. 132)

„Das bedingungslose soziale Grundeinkommen verweist letztlich auf eine Gesellschaft, in der die Notwendigkeit der Arbeit sich als solche nicht mehr bemerkbar macht, weil jeder von Kindheit an die Fülle künstlerischer, sportlicher, wissenschaftlich-technischer, kunstgewerblicher, politischer, philosophischer, ökosophischer und kooperativer Aktivitäten beansprucht und mitgerissen wird. Eine Gesellschaft, in der die Produktionsmittel und die Mittel zur Selbstversorgung allen jederzeit zugänglich sind wie heute schon die Datenbanken und die Telearbeitsmittel.“ (ebenda, S. 133)

„Die Garantie eines sozialen Grundeinkommens und die Ausdehnung frei verfügbarer Zeit sind nicht als Aktivitätshemmer, sondern als Aktivitätsmultiplikatoren zu verstehen, nicht als Freistellung zum Nichtstun, sondern im Gegenteil, als eine für alle eröffnete Möglichkeit, tausend individuell und kollektive, private und öffentliche Aktivitäten, die zu ihrer Ausbreitung und Entwicklung nicht mehr rentabel sein müssen. Jede und jeder muß von Kindheit an durch die Fülle der sie umgebenden Gruppen, Verbände, Werkstätten, Klubs, Kooperationen, Vereinigungen und Organisationen, die sie für ihre Tätigkeiten und Projekte zu gewinnen suchen, mitgerissen und umworben werden. Es geht dabei um künstlerische, politische, wissenschaftliche, ökosophische, sportliche, handwerkliche und Beziehungsaktivitäten, Selbstversorgungs- und Reparaturarbeiten, Restaurierungsarbeiten des natürlichen und kulturellen Erbes, um die Gestaltung des Lebensraumes und Energieersparnisse, um ‚Kinderläden‘, ‚Gesundheitsläden‘, Netzwerke zum Austausch von Dienst- und Hilfeleistungen, gegenseitiger Unterstützung etc. Diese eigenständigen Aktivitäten, als selbstorganisierte und selbstverwaltete, als freiwillige und allen offenstehende, dürfen nicht als unselbständige Ergänzungen der kapitalistischen Marktwirtschaft und auch nicht als pflichtgemäße Gegenleistungen für das sie ermöglichende Grundeinkommen angesehen werden.“ (ebenda, S. 144 f.)

„Die Kooperationsringe dürfen auch nicht als Versuche verstanden werden, zur dörflichen Ökonomie zurückzukehren. Sie machen im Gegenteil erst in einem Kontext Sinn, in dem allen ein bedingungsloses Grundeinkommen garantiert wird und alle auf nur unregelmäßige Weise im makrosozialen Tauschsystem ‚arbeiten‘ und dadurch Fachkenntnisse erwerben, pflegen und entwickeln, die auf der mikrosozialen Ebene ausgetauscht und eingesetzt werden können, vor allem in der lokalen kooperativen Selbstversorgung mit Gütern und Dienstleistungen.“ (ebenda, S. 153)

„In Wirklichkeit stehen sich zwei Auffassungen von Existenzeinkommen gegenüber manchmal bei den gleichen Autoren: Die eine sieht darin ein Mittel, das Leben den Warenbeziehungen und der totalen Selbstverwertung zu entziehen. Die andere begreift es im Gegenteil als eine notwendige Entlohnung der Nicht-Arbeitszeit, die, als Zeit für Selbstentwicklung, zur Produktivität der Arbeit maßgeblich beiträgt. Diese zweite Auffassung enthält, wohlgemerkt, eine gefährliche Falle. […] Alle Aktivitäten, durch welche sich die Menschen in ihrem Alltagsleben entwickeln, sind so auf ökonomische Zwecke reduziert. Da alle Menschen zur gesellschaftlichen Produktion allein durch die Tatsache beitragen, dass sie in der Gesellschaft leben, verdienen sie, dafür durch ein Existenzeinkommen entlohnt zu werden.“ (Gorz, 2004, S. 29)

„Existenzgeld hat nur dann den Sinn eines ‚Angriffs auf den Arbeitswert‘ […], wenn es nichts fordert und nichts entlohnt. Nur dann besteht seine Funktion darin, die Sphäre der ökonomischen Wertschöpfung einzuschränken und die Ausbreitung von Tätigkeiten zu ermöglichen, die nichts herstellen, was gekauft, verkauft oder gegen etwas anderes ausgetauscht werden kann, also nichts, was (im ökonomischen Sinne) einen Wert hätte. Existenzgeld soll das Sich-selbst-Produzieren von ökonomischen Verwertungszwängen befreien und die persönliche Entfaltung aller jenseits aller kapitalproduktiver Zweckmäßigkeiten erleichtern. Allein die Fähigkeiten, deren Entfaltung sich als Selbstzweck, allein die Kultur, die zu nichts dient, versetzen eine Gesellschaft in die Lage, die Verwandlungen, die in ihr stattfinden, in Frage zu stellen und ihnen einen Sinn abzuringen.“ (ebenda, S. 30)

„Es ist jedoch nicht schwer zu zeigen, dass die Existenzgeldforderung im Kern eine direkte Attacke auf das Wertgesetz und die Waren- und Arbeitsgesellschaft enthält.“ (ebenda, S. 80)

„Geld in seiner herkömmlichen Form muss von anderen Verteilungsmedien komplementiert oder ersetzt werden. […] Die Existenzgeldforderung verweist im Grunde auf die Notwendigkeit einer anderen Wirtschaft, auf das Ende des Geldfetischismus und der Marktgesellschaft. Sie verkündet die Hinfälligkeit der auf dem brüchigen Arbeitsfundament aufgebauten politischen Ökonomie und bereitet gewissermaßen auf ihren Zusammenbruch vor. Sie enthält ein immenses heuristisches Potenzial.“ (ebenda, S. 80)

„Um aber eine solche Perspektive einzunehmen, muss die Forderung sich vor allem auf die Garantie eines ausreichenden Einkommens beziehen. Nicht ausreichende Grundeinkommenssicherungen bedeuten nämlich eine Subvention zugunsten der Arbeitgeber: Sie erlauben ihnen, Arbeit unterhalb des Existenzlohns geleistet zu bekommen. Die Garantie eines bedingungslosen und ausreichenden Einkommens soll vor allem auf Anhieb bedeuten, dass die abhängige Arbeit weder die einzige Form der Schaffung von Reichtum ist, noch die einzige Art von Tätigkeit, deren gesellschaftlicher Wert anerkannt wird. Die Garantie eines ausreichenden Einkommens soll die wachsende und potenziell vorherrschende Bedeutung dieser anderen Ökonomie unterstreichen, deren gesellschaftlichen Wert anerkennen. Sie soll den Bruch zwischen Reichtumsschöpfung und Wertschöpfung kennzeichnen.“ (ebenda, S. 81)

„Wird daher die Idee ausdrücklich abgelehnt, dass das garantierte Einkommen sich mit der ‚Verpflichtung, etwas zu tun‘ verbindet und dieses Etwas entlohnen würde, dann gehört das bedingungslos garantierte Existenzgeld ‚zu den Mitteln, um unendlich viel bereichernde Tätigkeiten zu entwickeln‘, Tätigkeiten, die nach keinem gegebenen Maßstab messbarer und austauschbarer Reichtum sind.“ (ebenda, S. 83)

„Kurz, das garantierte Einkommen soll alle Aktivitäten jenseits des Marktes, der Konkurrenz und der Normen ermöglichen, alle Aktivitäten, die sich nicht tauschen lassen und nichts darstellen und produzieren, was gegen anderes austauschbar, messbar und in Geldäquivalenten übersetzbar ist. Darin liegt die Bedeutung des Prinzips der Bedingungslosigkeit: Es soll außerhalb des Messbaren den Eigenwert der Aktivitäten jeder vorher gefassten gesellschaftlichen Bestimmung und Vorschrift entziehen. Es soll verhindern, dass diese Aktivitäten institutionell, als Bedingung für das Recht auf ein Existenzgeld vorgesehen sind und man sie in Mittel umwandelt, um sein Leben zu verdienen. Es soll verhindern, dass freiwillige Tätigkeit für Arbeitslose zur Pflicht wird. Es soll ‚aus der Entfaltung aller kreativen Anlagen‘ einen ‚Selbstzweck‘ machen, der ‚nach keinem vorhergegebenen Maßstab gemessen wird‘ und dem man folgt, weil man es wünscht und nicht, weil man sich in einen selbstvermarktbaren Dienstleister verwandeln muss.“ (ebenda, S. 84)

„Es hat seinen weiteren Sinn nur, wenn es mit dem Ausbau vernetzter kommunaler, kooperativer high-tech-Selbstversorgungseinrichtungen verbunden ist, […] die sich über den Zweck und die Koordinierung ihrer Produktion verständigen. Existenzgeld dient in diesem Zusammenhang nicht zum Fortschreiben einer warenabhängigen Existenz, sondern letzten Endes zur Verteilung von Gütern, die allein in überregionalen arbeitsteiligen Anlagen herstellbar sind und ohne welche eine lokale Selbstversorgung nicht möglich wäre.“ (ebenda, S. 84 f.)

„Die Forderung nach einem von Arbeitszeit und von der Arbeit selbst abgekoppelten Existenzminimum ist also keine Utopie. Im Gegenteil, sie nimmt zur Kenntnis, dass die ‚Arbeit‘, so wie sie seit zwei Jahrhunderten verstanden wird, nicht mehr die hauptsächliche Produktivkraft ist und dass die hauptsächliche Produktivkraft, das lebendige Wissen, sich weder mit den üblichen Maßstäben der Wirtschaft messen noch nach der Zahl der Stunden entlohnen lässt, in denen ein jeder es einsetzt.“ (Gorz 2005b, S. 114)

„Man muss die Forderung nach einem Existenzeinkommen wieder in diesen Zusammenhang stellen. Sein Ziel besteht nicht darin, die Gesellschaft des Geldes und der Ware zu verewigen, auch nicht das herrschende Konsummodell der sogenannten entwickelten Länder zu verewigen. Sein Ziel ist vielmehr, die Arbeitslosen und prekär Beschäftigten vom Zwang zu befreien, sich selbst zu verkaufen: die ‚Arbeit von der Diktatur der Beschäftigung zu befreien‘, nach der Formulierung von Frithjof Bergmann. Wie es in einem Text einer der einflussreichsten Arbeitslosenvereine in Frankreich heißt, muss das Existenzeinkommen ‚uns die Mittel geben, Tätigkeiten zu entfalten, die unendlich bereichender sind als diejenigen, zu denen man uns zwingen will‘, Tätigkeiten, bei denen die Individuen sich entfalten können und die gleichzeitig jene inneren Reichtümer schaffen, die kein Unternehmen herzustellen, kein Lohn zu kaufen vermag und deren Wert mit keinerlei Geld zu messen ist.“ (ebenda, S. 112) 

„Das bedingungslose Sozialeinkommen wird gefordert, um all diese nicht vorgeschriebenen freien Tätigkeiten zu ermöglichen, von den die Entfaltung der menschlichen Fähigkeiten und Beziehungen abhängt. Die Erziehung, die Kultur, die Ausübung der Künste, des Sports, der Spiele, der affektiven Beziehungen sind nicht dazu da, zu etwas nütze zu sein.“ (ebenda, S. 113)

„Allein schon die Idee eines Existenzeinkommens zeugt von einem Bruch. Sie zwingt dazu, die Dinge anders zu sehen und vor allem die jener Reichtümer zu erkennen, die keine Wertform, das heißt nicht die Form des Gelds und der Ware annehmen können. Das Existenzgeld wird, sobald es eingeführt ist, ein ganz anderes Geld sein als das, was wir heute verwenden. Es wird nicht dieselben Funktionen haben. Es wird nicht zu Herrschafts- und Machtzwecken verwendet werden könne. Es wird zur gleichen Zeit wie Netze kommunaler Kooperativen der Eigenproduktion (der high-tech-self-providing, nach der Formulierung von Bergmann), ‚von unten‘ geschaffen werden, von einer Flutwelle getragen, als Antwort auf das Zusammentreffen der verschiedenen Krisenformen, die wir heraufziehen spüren: Klimakrise, ökologische Krise, Energiekrise und monetäre Krise infolge des kollabierenden Kreditsystems.“ (ebenda, 115)

„Ist ein bedingungsloses ausreichendes Grundeinkommen mit dem Fortbestehen der kapitalistischen Warengesellschaft vereinbar? Wenn ja, hat es zum Zweck, diese Gesellschaft zu stärken oder gar zu retten? Wenn nein, kann es diese Gesellschaft untergraben oder behilflich sein, die Periode zu überbrücken, in der das auf Tauschwert gegründete System zusammenbricht, ohne das sich ein grundsätzlich anderes bereits entwickelt hätte?“ (Gorz, 2007b; S. 70)

„Der ‚lebendig-tote Kapitalismus‘ […] kann keine gewöhnliche Ökonomie mehr sein. Da er selbst bei steigender Produktion immer weniger Zahlungsmittel ausschüttet, kann er nicht steigende Transferleistungen durch die Besteuerung von Löhnen und Warenumsatz finanzieren. Er muss ein sogenanntes Konsumgeld einführen, das allen de Kauf des Lebensnotwendigen erlaubt, und ein politisches Preissystem erfinden, das den lebensnotwendigen Gütern und Dienstleistungen einen politischen Preis zuschreibt. Das Konsumgeld würde Bezugsscheinen ähneln und müsste von zeitlich beschränkter Gültigkeit sein, dürfte also nicht akkumulierbar sein. Vom Standpunkt des Kapitals aus kann allein eine derartige Zuteilung von Zahlungsmitteln die Herrschaftsverhältnisse der kapitalistischen Warengesellschaft aufrechterhalten. Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen besteht die Bevölkerung weiter aus individuellen Warenkonsumenten, dies sich in einer totalen Abhängigkeit befinden. Selbstorganisierung, kooperative Selbstversorgung, gemeinschaftliche Aneignung und Nutzung von Produktionsmitteln, kurz, die emanzipative Überwindung der kapitalistischen Herrschaftsverhältnisse werden verhindert. Der ‚halbtote Kapitalismus‘ entlohnt den individuellen Konsum wie eine produktive Tätigkeit: Die Individuen werden dafür bezahlt, dass sie sich durch den Konsum fremdbestimmter Waren selbst so produzieren, wie die gesellschaftlichen Ordnungsmächte sie haben wollen. Die Waren kaufen und bestimmen ihre Konsumenten. Der Konsument wird zu einer sich selbst produzierenden Ware. Bewahrt wird nicht der Kapitalismus, sondern allein sein Herrschaftssystem, dessen Instrumente, die Waren-, Lohn- und Marktbeziehungen wahren, die als leere Hülsen formal den Tod des Kapitalismus überleben. Nicht die Wertverwertung, sondern allein die Beherrschbarkeit der ‚Bürger‘ wird zum Zweck der Produktion (Gorz 1983: 61-64).“ (ebenda, S. 70 f.)

Bemerkung: Gorz wiederholt also seine Kritiken eines Grundeinkommens ohne die Aneignung der Produktivmittel für die autonome Arbeit (vgl. Gorz, 2000, siehe folgendes Zitat). Diese Kritiken kann mit Gorz ebenfalls gegen die Lohnarbeit und deren Entlohnung gewendet werden, die im Arbeitenden lediglich den fremd und zunehmend nicht Notwendiges produzierenden und den konsumierenden Menschen sieht, um die Beherrschbarkeit der Bürger*innen zu sichern.

„Ein in ordinärem Geld ausgezahltes ausreichendes Grundeinkommen ist im Rahmen der existierenden kapitalistischen Warengesellschaft nicht realisierbar. Davon muss immer ausgegangen werden. Gänzlich aufgeben muss man die Forderung eines Grundeinkommens dennoch nicht. In schweren sozialen Krisensituationen kann sie teilweise Teilerfolge erzielen und vorübergehend die allgemeine Misere schildern. Zu einer gesellschaftlichen Transformation wird sie nicht führen.“ (ebenda, S. 73)

Bemerkung: Gorz meint mit „ordinärem Geld“ dasjenige Geld, das dem aufgeblasenen Finanzspekulationsmarkt entnommen wird, um Produktion und Konsumtion zu generieren. Er stellt in Frage, dass aufgrund der Ursachen der Finanzmarktspekulation zur fiktiven Geldschöpfung, der fortgeschrittenen Produktivität und Sättigung des Konsummarktes, sich selbst für diese Möglichkeit der Produktivitäts- und Konsumtionsankurbelung „keine Anwendungsmöglichkeit nach kapitalistischen Kriterien gäbe.“ (ebenda) In diesem Falle gäbe es aber auch keine Möglichkeiten mehr für Löhne, Sozialtransfers und die Finanzierung (öffentlicher) Infrastruktur/Dienstleistungen aus „ordinärem Geld“. Diese Interpretation bestätigen sich mit seinen Aussagen: „Zusammenbruch der Warengesellschaft“ (ebenda, S. 78); „Geld- und Warenbeziehungen erübrigen [in einer Gesellschaft der vernetzten, sich verständigenden und kooperierenden kommunalen high-tech-Produktionsstätten in einer Wissensgesellschaft, R. B.] sich, ebenso wie ein allgemeines Grundeinkommen.“ (ebenda) Dabei setzt Gorz offensichtlich voraus, dass die Produktion nunmehr auf vollkommen freiwilliger Basis erfolgt, was seinen eigenen Argumentationen zufolge letztlich aber nur auf der Basis der bedingungslosen Absicherung der Existenz und gesellschaftlichen Teilhabe möglich ist, also jenseits individueller existenzieller Nötigung (vgl. z. B. Gorz, 1994, S. 238 ff.) Wie diese erfolgen soll, erklärt Gorz nicht. Ebenso erklärt er nicht, wie er aus dem Jenseits der Warenproduktion durch vernetzte, sich verständigende und kooperative Produktionsstätten die Heteronomie vollends austreiben will. Der Grund dieser argumentativen Unzulänglichkeit ist die unbedachte Hinwendung von Gorz zur wertkritischen Analyse und Perspektive, die auf viele Fragen keine Antworten hat.

„Seine [ des Grundeinkommens, R. B.] Funktion könnte allein darin bestehen, während des Zusammenbruchs der Warengesellschaft oder vor ihm den Übergang zu neuen Produktionsverhältnissen einzuleiten.“ (ebenda)

„Das Grundeinkommen darf folglich nicht als Zweck an sich gefordert werden. Seine Forderung ist nur sinnhaft, wenn sie die Einsicht verbreitet, dass das Existenzrecht der Einzelnen nicht von der Leistung warenförmiger Arbeit abhängen darf und die allgemeine Verarmung allein durch die Unfähigkeit des Kapitalismus verursacht ist, die Reichtumsschöpfungspotenziale in einer vom Diktat der Wertverwertung entkoppelten Weise einzusetzen. Das geforderte Grundeinkommen muss als Mittel, als Gelegenheit verstanden werden, sowohl Arbeit wie Konsum der Fremdbestimmung durch die Logik der Warengesellschaft durch Praxen zu entziehen, ‚die erahnbar machen, dass seelisch wie materiell die menschliche Existenz auf andere Weise als Verwertung gesichert werden kann‘.“ (ebenda, S. 74)

„Dass das garantierte Grundeinkommen systemimmanent bleibt, wusste ich schon 1983 – wenn es nicht, wie Michael Opielka dann bemerkte, ‚mit einem einlösbaren Recht auf eigene Produktionsmittel … die Abhängigkeit vom Arbeitgeber, von den sozialen Bezügen des kapitalistischen Industriesystems und vom Staat als Besorger‘ beseitigt. ‚Wofür das garantierte Grundeinkommen wegbereitend sein soll, ist die Aneignung der Arbeit‘ (Opielka/Stalb 1986), was voraussetzt, dass sich die Arbeitsmittel herrschaftsfrei aneignen und einsetzen lassen. […] Über die Systemimmanenz eines Grundeinkommens und die Notwendigkeit es dennoch zu fordern, aber in ein systemtranszendierendes Licht zu stellen, findet man bei Robert Kurz folgende Bemerkungen: ‚Der Kampf um systemimmanente Gratifikationen, um Geld, um staatliche Transferleistungen und eine Abwehr aller Zumutungen der Krisenverwaltung … ist ein weiter unverzichtbar für eine Befreiungsbewegung.‘ Aber ‚der Inhalt dieser Bewegung kann nur die kategoriale Kritik am gesellschaftlichen Formzusammenhang des warenproduzierenden Systems sein. … Nicht mehr der nationale Arbeiter- und Regulationsstaat ist ein historisches Ziel, sondern die Weltgesellschaft jenseits von Markt und Staat. […]‘“ (ebenda, S. 74 f.)

„Ein bedingungsloses Grundeinkommen sollte, meinte ich, die volle Entwicklung des Individuums ermöglichen – nicht bezahlen, wie es Antonio Negri und seine Anhänger fordern – und sie ihrer unmittelbaren Instrumentalisierung und Beschränkung auf ökonomische Zwecke entziehen.“ (ebenda, S. 76)

Für Negri würde die „Selbstentwicklungsarbeit, die die Individuen in ihrer ‚freien Zeit‘ verrichten, […] in Wirklichkeit eine unvergütete Mehrarbeit dar[stellen] und ist zur wichtigsten Quelle von Mehrwert geworden. Sie berechtigt zu einem Sozialeinkommen. In dieser Analyse bleibt es unbeachtet, dass sogenanntes Humankapital allein als Kapital wirkt und Mehrwertschöpfung erlaubt, insofern es mit warenförmiger Arbeit im kapitalistischen Produktionsprozess warenförmige Güter oder Leistungen hervorbringt, die sich an Betriebe verkaufen lassen und dadurch monetarisieren. […] Sein Inhaber [der des Humankapitals, R. B.] muss sich verdingen oder verkaufen oder kaufbare Leistungen erbringen, um sich als Humankapital zu verwerten. Er kann sich nicht selbst bezahlen. […]  Das für die ‚Arbeit des Lebens‘ geforderte Grundeinkommen kommt daher einer Erweiterung des Lohnverhältnisses gleich. Es bleibt in der Logik der kapitalistischen Produktionsverhältnisse gefangen.“ (ebenda, S. 77)

Bemerkung: Analog jegliche Lohnverhandlung, -erhöhung, jegliche Warenproduktion in Form von öffentlicher Infrastruktur/Dienstleistungen usw.

Quellen:

Gorz, A. (2007a): Brief an D. Geschichte einer Liebe. Rotpunktverlag.

Gorz, A. (2007b): Seid realistisch, verlangt das Unmögliche, in: Exner, A., Rätz, W., Zenker, B. (Hrsg.): Grundeinkommen. Soziale Sicherheit ohne Arbeit. Deuticke im Paul Szolnay Verlag, S. 70-78.

Gorz, A. (2005a): Politische Ökologie, eine Ethik der Befreiung, in: Gorz, A.: Auswege aus dem Kapitalismus. Beiträge zur Politischen Ökologie. Rotpunktverlag (2009), S. 7-16.

Gorz, A. (2005b): Reichtum ohne Wert, Wert ohne Reichtum, in: Gorz, A.: Auswege aus dem Kapitalismus. Beiträge zur Politischen Ökologie. Rotpunktverlag (2009), S. 91-119.

Gorz, A. (2004): Wissen, Wert und Kapital. Zur Kritik der Wissensökonomie. Rotpunktverlag.

Gorz, A. (2000): Arbeit zwischen Misere und Utopie. Suhrkamp Verlag.

Gorz, A. (1994): Kritik der ökonomischen Vernunft. Sinnfragen am Ende der Arbeitsgesellschaft. Rotbuch Verlag.

Gorz, A. (1992): Die politische Ökologie zwischen Expertokratie und Selbstbegrenzung, in: Gorz, A.: Auswege aus dem Kapitalismus. Beiträge zur Politischen Ökologie. Rotpunktverlag (2009), S. 31-51.

Gorz, A. (1983): Wege ins Paradies. Thesen zur Krise, Automation und Zukunft der Arbeit. Rotbuch Verlag.

Gorz, A. (1980a): Ökologie und Freiheit. Beiträge zur Wachstumskrise 2. Rowohlt Taschenbuch Verlag.

Gorz, A. (1980b): Abschied vom Proletariat. Jenseits des Sozialismus. Europäische Verlagsanstalt.

Gorz, A. (1977): Ökologie und Politik. Beiträge zur Wachstumskrise. Rowohlt Tasch

[1] Gemeint ist mit diesem Begriff Effizienz und Effektivität („Verhältnis des Resultats zum angestrebten Ziel“), siehe Fußnote 11 in diesem Buch S. 92.

Zitate aus Gorz‘ Werken zu meinem Beitrag „Gute Care‐Arbeit – Politische Notwendigkeiten und Möglichkeiten. Überlegungen mit André Gorz“